Die Schule ist ein Ort des Wachstums, der Entwicklung und der Begegnung. Doch oft ist der Schulalltag von starren Strukturen, festen Plänen und einer Fokussierung auf Ergebnisse geprägt. Was wäre, wenn wir uns von der Arbeitswelt inspirieren lassen und die Prinzipien des Agilen Manifests auf das Lernen anwenden?
Agiles Lernen bietet eine neue Perspektive: Es stellt die Menschen in den Mittelpunkt, fördert Flexibilität und Zusammenarbeit und schafft Raum für kreatives Denken. Hier ist eine Version des Agilen Manifests – speziell für die Schule adaptiert.
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Die 4 Werte für agiles Lernen
1. Schüler:innen und ihre Zusammenarbeit vor starren Regeln und stundenlangen Arbeitsblättern
Lernen passiert nicht isoliert. Wenn Schüler:innen zusammenarbeiten, können sie voneinander lernen, neue Perspektiven entdecken und gemeinsam Lösungen finden.
Beispiel: Statt einen Aufsatz allein zu schreiben, könnten die Schüler:innen in Kleingruppen eine Geschichte entwickeln. Jede:r bringt eigene Ideen ein – eine:r denkt sich den Hauptcharakter aus, eine:r schreibt den Einstieg, eine:r überlegt sich die Wendung, und eine:r gestaltet das Ende. Gemeinsam entsteht so eine kreative und vielseitige Geschichte.
2. Lernfortschritt und Verständnis vor perfekter Heftführung
Wissen ist wertvoller als ein perfekt geschriebenes Heft. Agiles Lernen fokussiert darauf, dass die Schüler:innen die Inhalte wirklich verstehen und anwenden können.
Beispiel: Anstelle eines schriftlichen Tests könnten die Schüler:innen ein Experiment durchführen, etwa das Verhalten von Pflanzen bei unterschiedlicher Lichtzufuhr beobachten. Anschließend erklären sie in ihren eigenen Worten, was sie gelernt haben, und präsentieren ihre Ergebnisse der Klasse.
3. Gemeinsames Lernen mit Lehrkräften vor einseitigen Anweisungen
Lehrkräfte sind nicht nur Wissensvermittler:innen, sondern Lernbegleiter:innen. Wenn sie aktiv mit den Schüler:innen zusammenarbeiten, entstehen neue Dynamiken.
Beispiel: Bei einem Projekt zu nachhaltiger Energie könnten Lehrer:innen zusammen mit den Schüler:innen eine Solarzelle bauen. Dabei übernehmen die Schüler:innen einzelne Aufgaben wie Recherche, Materialbeschaffung und Zusammenbau. Die Lehrkraft begleitet den Prozess und steht bei Fragen zur Seite, statt alle Antworten vorzugeben.
4. Flexibilität und Anpassung vor sturem Festhalten an einem Plan
Manchmal braucht ein Thema mehr Zeit oder erfordert eine neue Herangehensweise. Agiles Lernen erlaubt es, den Plan zu ändern, wenn es den Schüler:innen hilft.
Beispiel: Wenn eine Klasse Schwierigkeiten mit einem Mathethema hat, könnten Lehrer:innen eine Unterrichtsstunde spontan für praktische Übungen nutzen, z. B. durch das Bauen von Modellen oder das Spielen eines Mathe-Spiels, um das Verständnis zu vertiefen.
12 Prinzipien für agiles Lernen
- Lernfreude fördern: Der Unterricht soll so gestaltet sein, dass alle gern mitmachen und ihre Stärken einbringen.
Was es bewirken soll: Begeisterung und Neugier sind der Motor für nachhaltiges Lernen. Wenn Schüler:innen Freude am Unterricht haben, lernen sie leichter und nachhaltiger.
Beispiel: Kreative Aufgaben wie das Basteln eines Modells – z. B. einer Brücke aus Alltagsmaterialien – wecken Begeisterung und machen physikalische Konzepte greifbar. - Offen für Veränderungen: Wenn ein Thema schwieriger ist als gedacht, wird der Plan angepasst, um besser darauf einzugehen.
Was es bewirken soll: Flexibilität zeigt den Schüler:innen, dass Lernprozesse individuell sind und auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird.
Beispiel: Eine Klasse, die sich bei einer Gruppenpräsentation tiefer in ein Thema vertiefen möchte, bekommt mehr Zeit, um fundiertere Ergebnisse zu erzielen und sich intensiver vorzubereiten. - Schritt für Schritt lernen: Inhalte werden in kleinen, verständlichen Einheiten vermittelt.
Was es bewirken soll: Schrittweise Wissensvermittlung verhindert Überforderung und schafft eine solide Basis.
Beispiel: Statt die gesamte Grammatik auf einmal zu erklären, wird jede Regel einzeln mit alltagsnahen Beispielen über mehrere Tage eingeführt, wie das Bilden einfacher Sätze im Präsens. - Zusammenarbeit stärken: Projekte und Gruppenarbeit fördern den Austausch und das gemeinsame Wachsen.
Was es bewirken soll: Teamarbeit stärkt soziale Kompetenzen und zeigt, wie man gemeinsam Probleme lösen kann.
Beispiel: Ein Teamprojekt zum Bau eines Wasserrads lässt die Schüler:innen Aufgaben wie Planung, Bau und Präsentation aufteilen und voneinander lernen. - Selbstständigkeit fördern: Schüler:innen werden ermutigt, Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess zu übernehmen.
Was es bewirken soll: Eigenverantwortung fördert Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren.
Beispiel: Ein Wochenplan, der für jede:n Schüler:in individuell angepasst ist, ermöglicht selbständiges Arbeiten an verschiedenen Aufgaben. - Kommunikation vereinfachen: Klare, persönliche Gespräche helfen, Missverständnisse zu vermeiden.
Was es bewirken soll: Direkte Kommunikation schafft Vertrauen und fördert eine offene Lernatmosphäre.
Beispiel: Feedbackrunden, bei denen Lehrkräfte aktiv zuhören und Verbesserungsvorschläge aufnehmen, stärken den gegenseitigen Respekt. - Lernen messbar machen: Der Fortschritt wird anhand dessen bewertet, was die Schüler:innen wirklich verstanden haben.
Was es bewirken soll: Der Fokus auf Verständnis statt auf Noten reduziert Druck und motiviert zur Vertiefung des Wissens.
Beispiel: Anstelle eines Notensystems könnten Schüler:innen ihre Fortschritte durch Poster, Mindmaps oder kleine Präsentationen dokumentieren. - Nachhaltiges Lernen: Es wird darauf geachtet, dass niemand überfordert wird, und das Gelernte langfristig hängen bleibt.
Was es bewirken soll: Wiederholungen und Anwendung sichern, dass Wissen nicht nur kurzfristig verfügbar ist, sondern langfristig genutzt werden kann.
Beispiel: Regelmäßige Praxisübungen, wie das Lösen von Alltagsproblemen mit Mathematik, helfen, theoretisches Wissen anzuwenden. - Kreativität und Innovation fördern: Schüler:innen finden eigene Wege, Probleme zu lösen und Ideen zu entwickeln.
Was es bewirken soll: Kreativität stärkt die Problemlösungsfähigkeit und das Vertrauen in die eigenen Ideen.
Beispiel: Ein Kunstprojekt, bei dem die Schüler:innen verschiedene Techniken und Materialien kombinieren, um ihre eigenen Visionen umzusetzen. - Einfachheit schätzen: Statt überflüssiger Aufgaben wird der Fokus auf das Wesentliche gelegt.
Was es bewirken soll: Effizienz schafft Raum für vertieftes Lernen und vermeidet unnötige Überlastung.
Beispiel: Statt umfangreicher Hausaufgaben wird eine einzelne, praxisorientierte Aufgabe gestellt, die direkt an den Unterricht anknüpft. - Eigeninitiative fördern: Schüler:innen dürfen selbst Vorschläge einbringen und Projekte mitgestalten.
Was es bewirken soll: Selbstbestimmung stärkt die Motivation und zeigt, dass ihre Ideen wertgeschätzt werden.
Beispiel: Schüler:innen entscheiden, ob sie ein Thema als Plakat, Vortrag oder Video präsentieren möchten. - Reflexion und Verbesserung: Regelmäßig wird überlegt, was gut lief und was noch verbessert werden kann.
Was es bewirken soll: Reflexion fördert die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung und kontinuierlichen Verbesserung.
Beispiel: Jede Woche schreiben Schüler:innen in ihr Lernjournal, welche Erfolge sie hatten und was sie nächstes Mal anders machen würden.
Warum agiles Lernen die Zukunft ist
Agiles Lernen stellt die Schüler:innen in den Mittelpunkt und schafft ein Umfeld, in dem sie sich sicher und wertgeschätzt fühlen. Es macht den Unterricht flexibler, inspirierender und praxisnaher – und es fördert eine Haltung, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist. Denn wer lernt, sich anzupassen und gemeinsam Lösungen zu finden, ist für die Welt von morgen bestens vorbereitet.
Lasst uns die Schule zu einem Ort machen, der nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Begeisterung für das Lernen weckt!